Menü
15.09.2022 14:30

Urheberrechtlicher Schutz einer Datenschutzerklärung

Landgericht München I, Urteil vom 07.09.2022, Az. 44 O 13813/21

"Ein Schriftwerk genießt dann urheberrechtlichen Schutz, wenn es eine individuelle geistige Schöpfung darstellt (§ 2 Abs. 2 UrhG); dabei kann auch ein geringes Maß solcher geistiger Betätigung genügen (sog. kleine Münze des Urheberrechts). Das geistige Wirken kann sich auf den Inhalt, die Formgebung, die Sammlung. die Einteilung und Anordnung beziehen (BGH GRUR 1981, 352 - Staatsexamensarbeit mwN). Werke der streitigen Art zeichnen sich — wenn sie den Ansprüchen genügen — darüber hinaus dadurch aus, dass sie Vorgaben nicht nur als solche wiedergeben, sondern im Einzelnen verständlich beschreiben; es können daher hier auch Ausdrucksvermögen und Klarheit der sprachlichen Form ins Gewicht fallen. Ebenso wie bei Betriebsanleitungen und technischen Regelwerken (dazu BGH GRUR 2002, 958 - technisches Regelwerk) geht es darum, den Inhalt nicht in übersichtlicher Auswahl und Anordnung, sondern vor allem in gut verständlicher, klarer Sprache auszudrücken. Dabei kann auch durch eine individuelle Auswahl und Kombination bekannter Methoden, insgesamt eine ausreichend eigentümliche Formgestaltung erreicht werden (vgl. BGH GRUR 1987, 360 - Werbepläne).

[In der Blog-Übersicht wird hier ein Weiterlesen-Link angezeigt]

Unter Beachtung der vorstehenden Grundsätze und einer umfassenden Würdigung des Vorbringens beider Parteien ist die Werkqualität der streitgegenständlichen Datenschutzerklärungen zu bejahen. Der streitgegenständliche Text weist individuelle Eigenart auf. Diese findet ihren Ausdruck in der eigenen Untergliederung des Textes, die anders als die Beklagte meint, über eine Gliederung in einen „allgemeinen" und einen „besonderen" Teil und die Formulierung der Überschriften in Frageform hinausgeht und die sachverhaltsübergreifend wiederaufgegriffen wird, um dem Nutzer einen möglichst großen Orientierungs- und Wiedererkennungswert zu liefern. Soweit der Beklagte weitere Datenschutzerklärungen entgegenhält, enthalten diese eine vergleichbare Untergliederung nicht, bzw. nicht in der in der streitgegenständlichen Datenschutzerklärung verwendeten Stringenz in den meisten Unterabschnitten. Die individuelle Eigenart findet ihren Ausdruck zudem in der Sprachführung, die an vielen Stellen durch eine blumige Ausdrucksweise gekennzeichnet ist. Entgegen der Auffassung des Beklagten, kommt dem streitgegenständlichen Text nicht lediglich in einzelnen Teilen, sondern in seiner Gesamtheit urheberrechtlicher Schutz zu, da die Elemente, aus denen sich die individuelle Eigenart ergibt, derart mit dem Gesamttext verwebt sind, dass eine isolierte Betrachtung ausscheidet."

(...)

"Darlegungs- und beweisbelastet dafür, dass der Beklagte ein Nutzungsrecht hatte, ist der Beklagte. Er muss also konkret darlegen, dass er vom Rechteinhaber ein Nutzungsrecht in erforderlichem Umfang eingeräumt bekommen hat. Bei der Auslegung ist in erster Linie der von den Parteien gewählte Wortlaut und der dem Wortlaut zu entnehmende objektiv erklärte Parteiwille zu berücksichtigen. Nach dem Übertragungszweckgedanken kann die Einräumung von über den Vertragszweck hinausgehenden Nutzungsrechten nur angenommen werden, wenn ein entsprechender Parteiwille wenigstens in den Begleitumständen und dem schlüssigen Verhalten der Parteien unzweideutig zum Ausdruck gekommen ist (BGH GRUR 2013, 1213 Rn. 19 mwN).

Nach den dargestellten Maßstäben war der Beklagte nach der von ihm erworbenen Lizenz nicht berechtigt, die streitgegenständlichen Texte ohne Nennung des verlinkten Quellverweises online zu stellen. Die vom Kläger erworbene Nutzungsrechte bezogen sich - anders als der Beklagte meint - lediglich auf die Nutzung des Textes unter Angabe von Quellverweis und Link. Dies ergibt sich bereits aus der Formulierung der vom Beklagten notwendigerweise zu bestätigenden Checkbox (...) sowie aus den zum streitgegenständlichen Zeitpunkt geltenden AGB (...).  Anders als der Beklagte meint, handelte es sich nicht lediglich um eine schuldrechtliche Verpflichtung des Beklagten, sondern um eine Bedingung der Einräumung des Nutzungsrechts. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus Ziff. 10 der AGB (...). Aus objektivem Empfängerhorizont kann aus der Verwendung des Begriffs „verpflichten" nicht lediglich im juristischen Sinne einer schuldrechtlichen Verpflichtung verstanden werden, denn ein verständiger Dritter, der die Webseite besucht und die AGB liest, wird hierin gerade nicht lediglich eine schuldrechtliche Verpflichtung erblicken. Dies gilt umso mehr, als Ziff. 8 der AGB in der maßgeblichen Fassung darauf hinweist, dass für den Fall, dass ein Quellverweis samt Verlinkung nicht sichtbar sein soll, die Möglichkeit einer kostenpflichtigen Lizenz besteht. Danach besteht auch für die Anwendung der Unklarheitenregel gern. § 305c BGB kein Raum."